Sizilien – „der Schlüssel zu allem“

Italien ohne Sizilien macht gar kein Bild in der Seele: Hier ist erst der Schlüssel zu allem. So schrieb Johann Wolfgang von Goethe am 13. April 1787 während seiner ersten Italienreise aus Palermo, auf der Suche nach den Wurzeln der abendländischen Kultur. Worte, die sämtliche Gemütsregungen des größten deutschen Dichters zum Ausdruck bringen. Während seines Besuchs auf der Insel stößt er auf jene Orte, die in der Mythologie beschrieben werden. Zwischen Scylla und Charybdis am Ende der Straße von Messina begegnet er den Abenteuern des Odysseus. Wieder ein weiterer Blick und schon tauchen die Äolischen bzw. Liparischen Inseln auf, Residenz des Windgottes Äolus. Weiter gen Süden führt ihn die Fantasie auf die Spuren des Äneas. Während er auf den Stufen des Griechischen Theaters in Taormina verweilt, dem für ihn schönsten Ort der Welt, taucht die überwältigende Silhouette des Ätna auf, dem Wohnsitz der Zyklopen. Wohin auch immer er seinen Blick richtet, er ist wie gefesselt vom Zauber: Goethe repräsentiert aufs Beste die Millionen Touristen, die jedes Jahr auf Sizilien eintreffen. Eine eindrucksvolle und vielseitige Landschaft wiederholt ihren unveränderten Willkommensgruß. Das Meer und die Berge verschmelzen in einem Spiel der Farben, in denen herbe Elemente, wie die erstarrte Lava an den Hängen des Ätna, allmählich ihren Platz dem Reichtum der mediterranen Macchia überlassen.

Doch das ist erst der Auftakt, um in der Ebene von Catania den Duft von Orangen und Zitronen zu genießen, einem farbenfrohen Erbe arabischer Vergangenheit (9. Jh.), durch das der Anbau von Zitrusfrüchten nach Sizilien kam. Richtet man sich landeinwärts, nimmt die Gegend jenen kahlen Aspekt an, der während der römischen Herrschaft (210 v. Chr.) entstand. Damals wurden die Wälder abgeholzt, um dem intensiven Getreideanbau Platz zu machen.
Kaum wird die Landschaft hügeliger, taucht das Vorgebirge von Enna auf. Dieser Ort diente über Jahrhunderte hinweg als Festung, von der aus ganz Zentralsizilien kontrolliert wurde. An Calltanissetta und den Madonischen Bergen vorbei gelangt man an die Nordküste, wo von Cefalù bis Palermo die normannischen (12. Jh.) und byzantinischen (6. Jh.) Werke weitere Elemente bieten, um das Mosaik der sizilianischen Kultur zu vervollständigen. Die Dome von Cefalù und Monreale sowie die Erhabenheit von Palermo sind Sinnbilder eines Siziliens, das von Normannenkaiser Friedrich II ( 12. Jh. ) zum feinen Salon Europas gemacht wurde. Nach Erice, Trapani, den Ägadischen Inseln, den archäologischen Stätten in Segesta, Selinunte und Eraclea Minoa verdeutlicht einem der Concordia Tempel, dass man sich nun im Tal der Tempel in Agrigento befindet. Bei Nacht betrachtet in jener irrealen Atmosphäre, welche die Stimmung so geheimnisvoll macht, scheint es nicht mehr verwunderlich, dass Philosophen wie Ernpedokles oder Schriftsteller vom Kaliber eines Luigi Pirandello, Nobelpreisträger der Literatur, hier die Inspiration für ihre Werke erhalten haben.

Das barocke Sizilien der Handwerksmeister wartet kurz darauf in den Orten Ragusa, Noto und Caltagirone, der Hauptstadt der sizilianischen Keramik. Sie öffnen all denen die Türen der Läden, prächtigen vornehmen Palazzi und Kathedralen, die die vornehm gestalteten Symbole der Volksweisheit lieben. Die archäologischen Orte Syrakus und Taormina sind weitere prachtvolle Zeugnisse griechischer Vergangenheit. In Messina mit seinen zahlreichen Jugendstil-Palazzi kann man dann am Horizont die Liparischen Inseln erblicken. Die Gelegenheit, um den wunderbaren Spaziergang zwischen Kultur, Natur und Geschichte der Orte fortzusetzen, an denen die Götter zuhause waren. Für diejenigen, die in den Mythos eintauchen und den Zauber der Jahrtausende einatmen wollen, halten sie immer neue Überraschungen bereit. Hervorragende Eindrucke von Orten, die ungezwungen erlebt werden sollten, denn in Sizilien ist jeder Winkel eine archäologische Stätte, Hüter von tausend Legenden.

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